Ich las im Forum die leider kurzen Ausführungen zu Albin Paulus. Bitte erklären Sie doch bitte noch, wie man königl. sächs. Hoflieferant wurde. War das eine besondere Auszeichnung (siehe auch H.R. Pfrezschner)? Wurden die Geigen manufakturmäÃig hergestellt? Der Zettel zeigt ja nur Namen und Wappen. Sind es, da die Jahreszuweisung fehlt, keine Meistergeigen, sondern eher "Massenware". Woran könnte man die ungefähre Herstellungszeit erkennen? Herr Paulus wurde ja ziemlich alt.
Ich habe für meinen Sohn eine Geige von Albin Paulus gekauft. Sie muà noch zur Reparatur. Sie hat einen zweiteiligen Boden, sehr schön geflammt. Der Lack ist leicht rötlich, so dass das Holz zu sehen ist.
Ãber eine Antwort würde ich mich sehr freuen
Rita
Paulus Albin Violine
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Hallo Rita,
"Königlich Sächsischer Hoflieferant" waren Unternehmen, die aufgrund der Qualität Ihrer Waren (und vielleicht auch manchmal durch gute Beziehungen) besondere Privilegien für Zulieferungen zum Sächsischen Hof genossen. Der Titel wurde vom Königshof verliehen und galt auch als Auszeichnung.
Zusätzlich zu den von Ihnen erwähnten Ausführungen im Forum kann ich nicht viel weiteres schreiben, bei der riesigen Anzahl an Geigenmachern in der Markneukirchener Geschichte des Geigenbaus kann man beim besten Willen nicht alle kennen und muà sich auf das Wissen aus Büchern stützen. Bei Jalovec fand ich noch, daà er bei Moritz Dölling Schüler war und nach seinen Arbeitszeiten bei den erwähnten Arnold Bernhardt, Reinhold Paulus und Rudolf Heckel in Dresden im Oktober 1890 nach Markneukirchen zurück kehrte und sich hier selbständig machte. Jalovec schreibt weiter: "Arbeitete nach dem Modell von Amati, Stradivari und Guarneri. Zu den besseren Geigen verwendete er Ãllack."
Das klingt also nicht nach einer gröÃeren Manufaktur, doch sicher weià ich das nicht.
Es gibt auch Geigenzettel mit Jahresangabe, darauf ist eine 19 für das 20. Jahrhundert mit abgedruckt. Ob er sich diese jedoch gleich zu Beginn des Jahrhunderts zugelegt hat, wird man wohl nciht mehr heraus finden, so daà man nicht daraus schlieÃen kann, daà Ihr Instrument noch aus dem 19. Jh. stammt. Eine altersmäÃige Zuordnung der Violine ist unter Umständen über den Arbeitsstil möglich, ein junger Mensch arbeitet anders, als ein älterer mit schwächeren Augen und vielleicht unruhiger Hand aber oft ausgeprägter eigener Stilistik.
Vielleicht gibt es auch Experten, die sich gerade mit Paulus- Instrumenten auskennen, weil sie schon recht viele davon gesehen haben oder gar sammeln, ich darf mich jedenfalls nicht dazu zählen. Mit dem Instrument in Händen kann man aber trotzdem auf alle Fälle mehr sagen, z.B. zu Machart und Qualität, als nur bei Namensnennung. Selbstverständlich bin ich wie alle meine Kollegen gern bereit, die Violine diesbezüglich anzuschauen. Eine Liste der hiesigen Geigenbauer wie auch aller anderen hiesigen Instrumentenbauer finden Sie auch auf der Website des Museums, momentan noch etwas versteckt, wenn Sie etwas nach unten scrollen und beim Artikel "Die Stadt Markneukirchen" auf den Link mehr klicken.
Vielleicht hilft Ihnen meine Auskunft ja schon etwas weiter.
Mit freundlichen GrüÃen
Udo Kretzschmann
"Königlich Sächsischer Hoflieferant" waren Unternehmen, die aufgrund der Qualität Ihrer Waren (und vielleicht auch manchmal durch gute Beziehungen) besondere Privilegien für Zulieferungen zum Sächsischen Hof genossen. Der Titel wurde vom Königshof verliehen und galt auch als Auszeichnung.
Zusätzlich zu den von Ihnen erwähnten Ausführungen im Forum kann ich nicht viel weiteres schreiben, bei der riesigen Anzahl an Geigenmachern in der Markneukirchener Geschichte des Geigenbaus kann man beim besten Willen nicht alle kennen und muà sich auf das Wissen aus Büchern stützen. Bei Jalovec fand ich noch, daà er bei Moritz Dölling Schüler war und nach seinen Arbeitszeiten bei den erwähnten Arnold Bernhardt, Reinhold Paulus und Rudolf Heckel in Dresden im Oktober 1890 nach Markneukirchen zurück kehrte und sich hier selbständig machte. Jalovec schreibt weiter: "Arbeitete nach dem Modell von Amati, Stradivari und Guarneri. Zu den besseren Geigen verwendete er Ãllack."
Das klingt also nicht nach einer gröÃeren Manufaktur, doch sicher weià ich das nicht.
Es gibt auch Geigenzettel mit Jahresangabe, darauf ist eine 19 für das 20. Jahrhundert mit abgedruckt. Ob er sich diese jedoch gleich zu Beginn des Jahrhunderts zugelegt hat, wird man wohl nciht mehr heraus finden, so daà man nicht daraus schlieÃen kann, daà Ihr Instrument noch aus dem 19. Jh. stammt. Eine altersmäÃige Zuordnung der Violine ist unter Umständen über den Arbeitsstil möglich, ein junger Mensch arbeitet anders, als ein älterer mit schwächeren Augen und vielleicht unruhiger Hand aber oft ausgeprägter eigener Stilistik.
Vielleicht gibt es auch Experten, die sich gerade mit Paulus- Instrumenten auskennen, weil sie schon recht viele davon gesehen haben oder gar sammeln, ich darf mich jedenfalls nicht dazu zählen. Mit dem Instrument in Händen kann man aber trotzdem auf alle Fälle mehr sagen, z.B. zu Machart und Qualität, als nur bei Namensnennung. Selbstverständlich bin ich wie alle meine Kollegen gern bereit, die Violine diesbezüglich anzuschauen. Eine Liste der hiesigen Geigenbauer wie auch aller anderen hiesigen Instrumentenbauer finden Sie auch auf der Website des Museums, momentan noch etwas versteckt, wenn Sie etwas nach unten scrollen und beim Artikel "Die Stadt Markneukirchen" auf den Link mehr klicken.
Vielleicht hilft Ihnen meine Auskunft ja schon etwas weiter.
Mit freundlichen GrüÃen
Udo Kretzschmann
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Liebe Rita,
meine Vermutung, dass Albin Paulus ein Händler war, wie ich Ihnen per mail mitgeteilt hatte, stimmt also nicht. Aber ich glaube, man sollte diesem "Zertifikat" vielleicht auch nicht zuviel Bedeutung beimessen, sondern das vorliegende Instrument beurteilen. Und daran haben Sie und Ihr Sohn hoffentlich noch viel Freude.
Es grüÃt Sie
Heidrun Eichler
meine Vermutung, dass Albin Paulus ein Händler war, wie ich Ihnen per mail mitgeteilt hatte, stimmt also nicht. Aber ich glaube, man sollte diesem "Zertifikat" vielleicht auch nicht zuviel Bedeutung beimessen, sondern das vorliegende Instrument beurteilen. Und daran haben Sie und Ihr Sohn hoffentlich noch viel Freude.
Es grüÃt Sie
Heidrun Eichler
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Hoflieferanten
Sehr geehrte Nutzerin unsers Forums,
das von Ihnen angesprochene Problem, wie man denn ich Sachsen zum Hoflieferanten wurde, kann ich zwar nicht klären, zumindest aber einige Gedanken beisteuern.
Zunächst ein Literaturhinweis: In "musica instrumentalis" Nr. 3 (Zeitschrift für Organologie, Nürnberg 2001, S. 156-161) hat Karl Ventzke seine Erkenntnisse über âBayerische Hoftitel um 1900â veröffentlicht.
Demnach wurde der Hoftitel an Handwerker ânur verliehen, wenn sie zur Führung des Meistertitels berechtigt sind und anerkannt vorzügliche oder kunstgewerblich bedeutende Erzeugnisse selbst herstellen. Die Lieferung von Waren an den Königlichen Hof war keine Voraussetzung; ebenso wenig begründete die Titelverleihung eine Anwartschaft auf Arbeiten oder Lieferungen für den Hof.â
Der Hoftitel in Bayern war eine Auszeichnung für selbständige Gewerbetreibende und (Mit-)Inhaber von Firmen, galt aber nicht für juristische Personen, Aktiengesellschaften oder GmbHs. Neben alle diesen Voraussetzungen und einer ausreichende Qualifikation und Reputation muss aber noch bemerkt werden, dass man für den Hoftitel auch eine entsprechende Gebühr bezahlen musste.
Die Praxis der Titelvergabe in Bayern kann sicherlich in vielen Punkten auch auf andere deutsche Länder übertragen werden.
Unter den vogtländischen Instrumentenbauern hatten nach meinem Wissen nur H. R. Pfretzschner und Albin Ludwig Paulus jun. den Titel eines Königlich Sächsischen Hofinstrumentenmachers bzw. Hoflieferanten. Ãhnlich wie in Bayern waren das anerkannte Handwerks- bzw. Meisterbetriebe. Wäre es in Sachsen auch den jur. Personen bzw. Handelsgesellschaften möglich gewesen, einen Hoftitel zu erlagen, dann hätten die gröÃeren Musikinstrumentenfabriken in Markneukirchen sich dieses Privileg sicherlich auch gerne gesichert, zumal sie offenbar viele Staatsaufträge hatten. Allerdings mussten diese Firmen auf andere Art und Weise auf sich aufmerksam machen, z. B. durch den Zusatz âSächsische Musikinstrumentenmanufakturâ bei Schuster & Co. und âDeutsche Holzblasinstrumentenfabrikâ bei Oscar Adler & Co.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einige Anregungen geben konnte.
E. Weller
das von Ihnen angesprochene Problem, wie man denn ich Sachsen zum Hoflieferanten wurde, kann ich zwar nicht klären, zumindest aber einige Gedanken beisteuern.
Zunächst ein Literaturhinweis: In "musica instrumentalis" Nr. 3 (Zeitschrift für Organologie, Nürnberg 2001, S. 156-161) hat Karl Ventzke seine Erkenntnisse über âBayerische Hoftitel um 1900â veröffentlicht.
Demnach wurde der Hoftitel an Handwerker ânur verliehen, wenn sie zur Führung des Meistertitels berechtigt sind und anerkannt vorzügliche oder kunstgewerblich bedeutende Erzeugnisse selbst herstellen. Die Lieferung von Waren an den Königlichen Hof war keine Voraussetzung; ebenso wenig begründete die Titelverleihung eine Anwartschaft auf Arbeiten oder Lieferungen für den Hof.â
Der Hoftitel in Bayern war eine Auszeichnung für selbständige Gewerbetreibende und (Mit-)Inhaber von Firmen, galt aber nicht für juristische Personen, Aktiengesellschaften oder GmbHs. Neben alle diesen Voraussetzungen und einer ausreichende Qualifikation und Reputation muss aber noch bemerkt werden, dass man für den Hoftitel auch eine entsprechende Gebühr bezahlen musste.
Die Praxis der Titelvergabe in Bayern kann sicherlich in vielen Punkten auch auf andere deutsche Länder übertragen werden.
Unter den vogtländischen Instrumentenbauern hatten nach meinem Wissen nur H. R. Pfretzschner und Albin Ludwig Paulus jun. den Titel eines Königlich Sächsischen Hofinstrumentenmachers bzw. Hoflieferanten. Ãhnlich wie in Bayern waren das anerkannte Handwerks- bzw. Meisterbetriebe. Wäre es in Sachsen auch den jur. Personen bzw. Handelsgesellschaften möglich gewesen, einen Hoftitel zu erlagen, dann hätten die gröÃeren Musikinstrumentenfabriken in Markneukirchen sich dieses Privileg sicherlich auch gerne gesichert, zumal sie offenbar viele Staatsaufträge hatten. Allerdings mussten diese Firmen auf andere Art und Weise auf sich aufmerksam machen, z. B. durch den Zusatz âSächsische Musikinstrumentenmanufakturâ bei Schuster & Co. und âDeutsche Holzblasinstrumentenfabrikâ bei Oscar Adler & Co.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einige Anregungen geben konnte.
E. Weller
Sehr geehrter Herr Dr. Weller,
vielen Dank für Ihre freundliche Antwort auf meine Frage. Es ist doch bemerkenswert, dass bereits nach einem Menschenalter die Bedingungen und die Vergabeformalien für den Titel "Hoflieferant" weitgehend in Vergesenheit geraten sind. Ihre Einlassungen zum Thema waren sehr interessant und hilfreich, vielen Dank. Nun bliebe noch zu klären, von welcher institutionellen Stelle der Titel vergeben wurde und ob der Titel auch nach 1918 im Geschäftsverkehr noch Anwendung fand.
Mit freundlichen GrüÃen
Rita Nicolaus
vielen Dank für Ihre freundliche Antwort auf meine Frage. Es ist doch bemerkenswert, dass bereits nach einem Menschenalter die Bedingungen und die Vergabeformalien für den Titel "Hoflieferant" weitgehend in Vergesenheit geraten sind. Ihre Einlassungen zum Thema waren sehr interessant und hilfreich, vielen Dank. Nun bliebe noch zu klären, von welcher institutionellen Stelle der Titel vergeben wurde und ob der Titel auch nach 1918 im Geschäftsverkehr noch Anwendung fand.
Mit freundlichen GrüÃen
Rita Nicolaus