Bechermechanik Uebel

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Schwarzwurzel
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Bechermechanik Uebel

Beitrag von Schwarzwurzel »

Hallo,

ich habe eine Frage zur Bechermechanik bei Uebel: Von wann bis wann und warum hat man eine Zeitlang eine verkürzte Bechermechanik verwendet? Die alten Uebel und die neueren haben doch eine "normale".

Dr. Enrico Weller
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Hallo Schwarzwurzel,

die Bechermechanik bei der Firma F. Arthur Uebel bzw. bei deren Nachfolgeunternehmen ist ein weites Feld, denn es lassen sich hier mindestens folgende Formen unterschieden:

1. „Normale“ Form: Becherklappe direkt auf dem Becher.
2. Kürzere Form der Becherklappe: Die Korrekturklappe für Tief E ist so weit am oberen Becherrand, dass sie durch den Zapfen des Unterstücks geführt ist.
3. Stark verkürzte Form der Bechermechanik, bei der die Korrekturklappe gar nicht mehr auf dem Becher angebracht ist. Die Klappe ist nur noch so klein wie die Tief-F-Korrekturklappe und ist unterhalb der E/H-Klappe noch auf dem Unterstück angebracht.

1. Gab es spätestens 1940 auf allen FAU-Klarinetten, die als Theater- oder Solistenmodell angeboten wurden.

2. Ist ab ca. 1955 auf den originalen F.-Arthur-Uebel-Klarinetten zusammen mit der von Uebel seinerzeit eingeführten zusätzlichen Korrekturklappe für Tief-F zu finden.

3. Ist eine Neuerung, die in Phase 2 der Uebel-Geschichte auf dem Modell 682 erscheint. Diese entstand offenbar in der Zeit, als sich Rudolf Uebel aus der Firma zurückgezogen hatten und der Stimmer Fritz Kaiser für die Modellentwicklung verantwortlich zeichnete.

Beim Solistenmodell 700 wurde die 1. Form, in Rückbesinnung auf die „alten Uebel“ gelegentlich aber auch die 2. Form verwendet. Das Modell 700 entsprach dem Theatermodell 682, hatte aber eine „optimale Bechermechanik“. Damit ist im Sinfonia-Katalog von 1981 indirekt schon gesagt, dass das Modell 682, welches eben nur eine „Daumenmechanik für tief-E und -F“ besaß und keine Bechermechanik, in diesem Punkt nicht optimal konzipiert war. Die Verkürzung war also offenbar eine Einsparung, die sich auch im Preis niederschlug.
Wenn man bedenkt, welcher Unterschied heute zwischen Oehler-Klarinetten mit und ohne Bechermechanik bestehen, ist das nicht von der Hand zu weisen. Auch kann man auf der 682 mit einigem Geschick eine Marschgabel anbringen (entweder mit großem Ring oder mit einer Art Klammer und seitlichen Doppelschrauben – vielleicht ein guter Kompromiss für Militärmusiker? In den Katalogen von 1981 (Sinfonia) und 1989 (B & S) ist diese Form nachweisbar. Auch mein eigenes Instrument (Bj. 1985) hat diese verkürzte Daumenmechanik, bei der man aber leider den Kompromiss auch akustisch wahrnehmen kann.

Da ich nicht weiß, welche Form der Bechermechanik Sie interessiert, habe ich einmal alles aufgeschrieben, was es aus meiner Sicht dazu zu sagen gibt. Genauere Hintergründe, Absichten und Jahreszahlen konnte ich bisher bei keinem ehemaligen Uebel-Mitarbeiter in Erfahrung bringen.

Herzliche Grüße
E. Weller

alport
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von alport »

Werden die Uebel 682 bzw. 700 heute noch hergestellt?
Im normalen Uebel-Katalog sind sie nicht zu finden, da hört es bei der B-Klarinette
mit Modell 632 auf.
Bei einigen Musikhäusern hingegen scheint man sie noch bestellen zu können.

al.port.

Dr. Enrico Weller
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Ich kann Ihnen auch nur das sagen, was sich aus den Katalogen entnehmen lässt: Im heutigen Uebel-Angebot gibt es diese beiden Modelle nicht mehr, sie wurden aber in der Nachwendezeit gebaut, als FAU zu Hans Kreul gehörte - mindestens bis 1997, aber wahrscheinlich auch bis zum Ende der Fertigung in Markneukirchen 2005. Wenn man die Instrumente aus dieser Zeit von einem Fachmann beziehen kann, dann dürften es noch keine „Ladenhüter“ sein.

E. Weller

Schwarzwurzel
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Schwarzwurzel »

Hallo Dr. Weller,

zunächst einmal Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Leider scheint mein Instrument da aber "aus der Reihe zu tanzen".
Es handelt sich um eine Uebel 700 aus dem Jahr 1977 (lt. Seriennummer) und sie hat die 3. Form der "Bechermechanik", also eben keine Klappe auf dem Becher, sondern die kleine Klappe am Unterstück. (e und f stimmen aber auch ohne die Verbesserung fast perfekt.)
Wie paßt das zu Ihren Ergebnissen? Das Instrument wurde allerdings bei einem Bw-Musikkorps gespielt, aber dann müßte es ja so was wie eine Sonderanfertigung sein, damit die Marschgabel montierbar ist - ob es das denn gegeben hat? Auffällig finde ich noch bei meinem Instrument, daß es keinen abstellbaren H-Cis-Triller hat, oder war das 1977 selbst bei einer 700 noch nicht üblich?
Vielleicht können Sie mir da noch mal weiterhelfen.

Viele Grüße

Schwarzwurzel

Dr. Enrico Weller
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Hallo Schwarzwurzel,

Ihr Instrument gibt also weitere Fragen auf – aber ich bezweifle, ob das noch jemand beantworten kann, denn schon neulich habe ich mit mehreren früheren Mitarbeitern der Firma Uebel gesprochen, gelangte aber schnell an die Grenze dessen, was noch erinnerbar war.
Ich bleibe dran, aber so schnell wird sich mit Sicherheit keine Antwort finden lassen.
Aber begründete Vermutungen haben auch etwas Reizvolles und zeigen bestimmte Querverbindungen auf. Das mit der militärmusikalischen Nutzung der 700 ist einleuchtend. Bei meiner 682 ist H/Cis auch nicht abstellbar.

Viele Grüße
E. Weller

Schwarzwurzel
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Schwarzwurzel »

Hallo Dr. Weller,

da habe ich Ihnen ja Arbeit gemacht :holzhacker:
Zu Ihrer 682 hätte ich aber auch noch eine Frage: Welche Todt-Bahn spielen Sie denn? Gehört "werkseitig" ein Lebü 8522 zur 632-700?

Viele Grüße

Schwarzwurzel

Dr. Enrico Weller
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Hallo Schwarzwurzel,

nach meiner Information war Lebü die Mundstückmarke für die einfacheren Modelle, meist das Lebü 8822. Bei den besseren Modellen, also 682 aufwärts, gab es dann „richtige“ FAU-Mundstücke. So hat meine 682 die Uebel-Bahn 8522-S.
Von Friedrich Todt habe ich ursprünglich die sehr enge Bahn 14 gespielt, hatte mir auf Standard-Mundstücke von B & S/FAU auch eine 16 und eine 18 abziehen lassen, auf die ich dann gewechselt bin, als das Mundstück mit der 14 heruntergefallen ist.

Viele Grüße
E. Weller

bassklari
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von bassklari »

Die Variante mit der "kurzen Bechermechanik" am Unterstück gibt es auch bei anderen Herstellern. Ich selbst spiele eine Keilwerth 7c Konzert mit dieser Variante der e/f Verbesserung, die übrigens wunderbar stimmt. Wird aber meines Wissens auch nicht mehr aktuell gebaut.

Schwarzwurzel
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Re: Bechermechanik Uebel

Beitrag von Schwarzwurzel »

Hallo Dr. Weller,

die Vermutung "Sonderanfertigung für die Bundeswehr" können wir zumindest für das Jahr 1977 als gesichert ansehen. Ich bin zufällig über eine andere BW-Uebel 700 gestolpert, die auch die kurze Mechanik hat und von 1977 ist. Beim Musikdienst sind leider keine Unterlagen mehr aus dieser Zeit vorhanden. Trotzdem hat die BW damals offensichtlich das Solistenmodell mit kurzer Mechanik bestellt, vielleicht wegen der Marschgabel.
Letzten Sommer war ich übrigens in Markneukirchen und habe mir mal angesehen, wo das gute Stück herkommt. Es ist schon interessant, wenn man mit Leuten reden kann, die noch bei Uebel gearbeitet haben.

Gruß

Schwarzwurzel

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